Fälschungen im Mittelalter – die Konstantinische Schenkung

Gemälde mit mehreren Personen. Zentral sind zwei Personen, eine zeigt einen Geistlichen, der von der anderen Person ein Geschenk erhält.

Eigentlich ist es schon eine dreiste Sache, einem verstorbenen Kaiser die Worte in den Mund zu legen, er habe dem Papst seinen weltlichen Besitz (Ländereien) geschenkt. Kaiser Konstantin lebt im 4. Jahrhundert n. Chr. (geb. zwischen 270 und 288 n. Chr., gest. 337). Ab 324 ist er alleiniger römischer Kaiser und beendet damit das System der Tetrarchie, bei dem es zwei Augusti und zwei Caesares gab. Sie teilten das Römische Reich unter sich auf, handelten im zugewiesenen Bereich recht autonom, aber Gesetze wurden von allen vier gemeinsam erlassen. Gewählt wurden sie nach ihrem militärischen Erfolg.

Kaiser Konstantin wird in der Regel der Spätantike und nicht dem Mittelalter zugeordnet. Nicht zuletzt dank eines bestimmten Dokuments spielt er aber insbesondere ab dem Hochmittelalter eine größere Rolle. Die „Konstantinische Schenkung“ ist eine Urkunde, die aus zwei Teilen besteht. Einem Glaubensbekenntnis und einer Schenkung. Sie lässt sich auf etwa das 8. oder 9. Jahrhundert datieren. Genauer gelingt es uns bis heute nicht, den Ursprung zu ermitteln. Fest steht aber, auf Kaiser Konstantin geht das Dokument nicht zurück.

Auch wenn es im 9. und 10. Jahrhundert hier und da erwähnt wird, eine große Aufmerksamkeit erfährt die Urkunde erst einmal nicht. Ein Versuch, sie von Kaiser Otto III. (980-1002) bestätigen zu lassen, scheitert sogar. Aber Teile der Urkunde werden immer wieder abgeschrieben und weitergegeben. Eine große Verbreitung wird durch das Einbinden in Sammlungen von Rechtstexten möglich, damit wird der Text in vielen Teilen des Heiligen Römischen Rechs bekannt.

Steigendes Interesse am Inhalt der Urkunde

Bei dem Dokument soll es sich also um eine Schenkungsurkunde handeln. Kaiser Konstantin habe Papst Silvester I. (314-335 n. Chr.) aus Dankbarkeit großzügige Geschenke gemacht. Vor allem eben den „gesamten Erdenkreis“ und zwar „bis ans Ende der Zeiten“. Warum war er dankbar? Der Papst habe Konstantin von seiner Krankheit geheilt und ihn im Anschluss getauft. So die „Silvesterlegende“. Damit soll Roms besondere Stellung für das Christentum unterstrichen werden. Denn eigentlich wird der Kaiser wohl kurz vor seinem Tod in Konstantinopel (heute Istanbul) getauft – von einem oströmischen Bischof.

Ab dem 11. Jahrhundert rückt schließlich der Schenkungsteil in den Fokus. Papst Leo IX. leitet daraus ab, dass der Papst als römischer Bischof gegenüber Byzanz eine übergeordnete Rolle spiele. Und auch spätere Päpste – darunter übrigens auch Gregor IX. – leiten aus dieser Urkunde eigene Ansprüche an Gebieten ab. Denn im Mittelalter besitzt der Papst bzw. das Papsttum (und auch Bischöfe) zahlreiche Ländereien. Das ist nun das Entscheidende – nachdem der Inhalt erst einmal wenig Aufmerksamkeit erfährt, wird die Urkunde nun herangezogen, um die Stellung des Papsttums gegenüber dem König bzw. Kaiser zu begründen. Ein antiker Kaiser – der erste christliche – habe dem Papst schließlich sein Reich geschenkt. Damit habe das Papsttum eben auch Anspruch auf weltlichen Besitz.

Wie wird die Fälschung schließlich enttarnt?

Im 15. Jahrhundert können zunächst Nikolaus von Kues und auch Lorenzo Valla nachweisen, dass es sich bei der Konstantinischen Schenkung um eine Fälschung handelt. Letzterer arbeitet dabei vor allem auf der sprachlichen Ebene, also inwieweit ist die im Dokument genutzte Wortwahl (un)typisch für die Zeit Kaiser Konstantins, was wird evtl. genannt, das der antike Herrscher noch gar nicht kennen konnte? Eine Verbreitung dieser Argumente findet dann schließlich mit Martin Luther statt. Mit ihrer Enttarnung verliert die Fälschung dann auch ihre Bedeutung, aber über mehrere Jahrhunderte beruft man sich darauf, um eigene Argumente zu untermauern. Diese sind dabei je nach Blickwinkel ganz unterschiedlich.

Die Enttarnung zeigt dann auch gleich eine Möglichkeit auf, Fälschungen im Mittelalter zu erkennen. Stimmt die Wortwahl mit dem genannten Zeitraum überein? Werden vielleicht Ereignisse genannt, die noch gar nicht bekannt gewesen sein können? Eigentlich eine ganz spannende Sache. Und auch wieder ein Hinweis darauf, die genutzten Quellen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wortlaut der Urkunde:

http://www.thelatinlibrary.com/donation.html

http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/14Jh/GoldeneBulle/Kaisertum.htm#Constitutum_Constantini

 

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Literatur:

  • http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/10588/1/Miethke2008.pdf
  • https://ssl2.cms.fu-berlin.de/fu-berlin/sites/weiterbildung/PM_gasthoerercard/mediathek/Geschichte-als-Waffe/Video-3/index.html#:~:text=Im%2015.,ersonnen%20und%20verwendet%20worden%20war.
  • Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung, Lexikon des Mittelalters V (2003), Sp. 1385-1386.
  • Mattejet, U., Konstantin, Lexikon des Mittelalters V (2003), Sp. 1372-1375.
  • Pohlkamp, W., Silvester, Lexikon des Mittelalters VII (2003), Sp. 1905-1907.

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