1923 – Ruhrbesetzung und passiver Widerstand

Schwarz-weiß-Bild, ein Eckhaus, vor dem ein Panzer und mehrere Soldaten stehen.

Bundesarchiv, Bild 102-00016 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 102-00016, Gelsenkirchen-Buer, Französischer Panzer, CC BY-SA 3.0 DE

Der nach dem Ersten Weltkrieg geschlossene Versailler Friedensvertrag legte unter anderem fest, dass Deutschland Reparationen zu leisten hat. Die Höhe wird aber erst später auf 132 Milliarden Mark festgelegt. Die Raten orientieren sich dabei nicht an dem, was die deutsche Volkswirtschaft tatsächlich leisten kann – eine von zahlreichen Ursachen für den Frust in Deutschland. Doch insbesondere Frankreich ist zunächst wenig gesprächsbereit. Auch der öffentlichkeitswirkame Kampf beider Parteien ist geprägt von Propaganda und Vorurteilen. Er verhärtet die Positionen zusätzlich.

Reparationen wofür?

Frankreich litt besonders unter den Grauen des Ersten Weltkriegs. Dort verlief die Front, Bahnstrecken wurden getroffen, Orte dem Erdboden gleich gemacht. Kilometerlange Landschaften wurden eine Trümmerwüste. Viele Menschen hatten ihr Leben verloren. Der Krieg hatte außerdem die Volkswirtschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen, die Kosten für den Wiederaufbau waren immens. In Deutschland dagegen hatten während des Krieges keine Soldaten gewütet, die Fabriken produzierten eifrig. So bleibt Wut in Frankreich, Wut auf Deutschland. Sie sehen den Versailler Vertrag als völlig berechtigt und damit verbunden auch die hohen Reparationsforderungen. Daneben gibt es für sie aber auch ganz praktische Gründe für das Pochen auf Forderungen: Kredite aus den USA helfen in Frankreich beim Wiederaufbau, um diese zu bedienen, braucht Frankreich wiederum die Reparationszahlungen aus Deutschland. Aber diese Zahlungen sind nicht nur Geld, sondern auch Sachleistungen wie Güter.

Als Deutschland 1922 in Verzug gerät, marschieren am 11. Januar 1923 ca. 60.000 französische und belgische Soldaten ins Ruhrgebiet ein. Offiziell begleiten sie eine Kommission, die die Kohleproduktion im Ruhrgebiet prüfen soll. Innerhalb weniger Tage gelingt es ihnen, das gesamte Ruhrgebiet zu besetzen. Sie kümmern sich darum, dass die Reparationsleistungen in Form von Gütern nach Frankreich gebracht werden. Gleichzeitig ist es aber auch ihr Ziel, das Ruhrgebiet (und auch das entmilitarisierte Rheinland) von Deutschland zu lösen.

Plakat des passiven Widerstands. Nein. Mich zwingt ihr nicht steht darauf. Im Vordergrund zwei Soldaten, die einen Mann bedrohen.

Als gemeinfrei gekennzeichnet.

Der passive Widerstand

In Deutschland wird von der Regierung des parteilosen Wilhelm Cuno der „passive Widerstand“ oder auch „moralische Widerstand“ ausgerufen. Die Menschen im Ruhrgebiet und Rheinland sind aufgefordert, sich Befehlen der Besatzer zu widersetzen. Die große Mehrheit der Reichstagsabgeordneten stimmen der Politik zu und auch die Beamt*innen vor Ort setzen den Befehl um – daneben beteiligen sich auch zahlreiche Menschen aus der Privatwirtschaft. In der Folge werden auch etwa 120.000 Menschen in unbesetzte Gebiete ausgewiesen. Der passive Widerstand macht Frankreich enorm zu schaffen, so ist die Arbeitsniederlegung der Bahnbeamten eine besonders große Herausforderung. (Ihre Gruppe gehört daher zu jenen, die besonders von den Ausweisungen betroffen sind.) Französische Beamte müssen im Ruhrgebiet eingesetzt werden. Da das Schienennetz komplex ist, kommt es auch immer wieder zu Unfällen. Es wird auch weniger nach Frankreich transportiert als vor der Besetzung des Ruhrgebiets.

Die Gehälter der Streikenden zahlt der Staat, um allzu hohe Arbeitslosigkeit zu verhindern. Damit nimmt aber die Geldentwertung weiter zu, bis sie schließlich im Herbst 1923 in einer Hyperinflation mündet. In Deutschland ging man nicht davon aus, dass Frankreich die Besetzung so lange durchziehen würde. Man glaubte, ein paar Wochen würden reichen, um die anderen Alliierten (Großbritannien und die USA) davon zu überzeugen, auf die französische Regierung einzuwirken. Doch im September 1923 muss der deutsche Reichskanzler Gustav Stresemann den „passiven Widerstand“ abbrechen, wofür er in einem aufgeheizten, nationalistischen Klima scharf angegriffen wird.

 

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Literatur:

Jones, Mark: 1923. Ein deutsches Trauma, Berlin 2022.

Richter, Hedwig: Demokratie. Eine deutsche Affäre. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2020.

https://ruhrmuseum.de/ausstellungen/aktuell/haende-weg-vom-ruhrgebiet-die-ruhrbesetzung-1923-1925 

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/aussenpolitik/ruhrbesetzung-1923.html

https://www.deutschlandfunk.de/ruhrgebiet-besetzung-100.html

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